Transforming Brands: eine bessere Welt ist möglich.

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Eine bessere Welt ist möglich, und sie lässt sich daran erkennen, dass ihr zentraler Maßstab nicht mehr das Beherrschen und Verfügen ist, sondern das Hören und Antworten.“

An diese Schlussworte Hartmut Rosas in seinem weisen Buch Resonanz musste ich denken, als ich die neue Publikation des Zukunftsinstituts Transforming Brands: Was Marken in Zukunft stark macht!  in Händen hielt. Es reiht sich nahtlos ein in Veröffentlichungen zur Neoökologie, zur Welt nach Corona und auch zum Resonanztourismus.

Die Grundthese gleich am Anfang wird auf gut 130 Seiten näher erläutert:

„In der nächsten Ökonomie müssen Unternehmen fundamental umdenken: Es wird unabdinglich, Marken ganzheitlich und ökosystemisch zu verstehen. Die Marken von morgen fokussieren immer weniger auf Produkte und Individuen, sondern auf Werte und kollektive Identitäten. Sie fördern Resonanzbeziehungen und bilden Orientierungspunkte in einer komplexen und volatilen Welt.

Auch die Coronakrise hat deutlich gemacht: Marken übernehmen Verantwortung jenseits des rein Ökonomischen. Als Transforming Brands ermöglichen und unterstützen sie Veränderungsprozesse – individuell, gemeinschaftlich und gesamtgesellschaftlich. In einer komplex-vernetzten und unsicheren Welt werden Marken zu Akteuren des Wandels.“

Wo bitte muss ich unterschreiben, war mein erster Impuls. Denn: schon lange vor Corona war klar, dass ein Anything goes als anarchischer, neoliberaler Ansatz mehr als eine Welt braucht. Alte Unternehmen, die jahrzehntelang für ökonomischen Erfolg standen (Volkswagen, McDonalds, Coca Cola u.v.m.), geraten angesichts neuer Konsummuster ins Straucheln und versuchen, sich ein neues Image zu verpassen. In Zeiten der totalen Vernetzung und der Demokratisierung der Kommunikation kommt allerdings schnell ans Tageslicht, ob wirklich ein Purpose oder nur leere Worte dahinterstecken.

„Practise what you preach“ ist also das Motto unserer Zeit. Das erschüttert das bisherige Verständnis von Marken und Marketing. Verstärkt wird diese Unsicherheit durch die Megatrends der komplexen digitalen Kommunikationsoptionen, in denen die Verlässlichkeit segmentierter Zielgruppen immer weiter abnimmt, und des fundamentalen Wertewandels hin zu mehr Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Wir-Kultur. (S. 12) Viele Marketers reagieren auf diese Herausforderungen mit noch Marketing, was die Skepzis der Verbraucher weiter verstärkt. Die Hoffnung, dass Künstliche Intelligenz (KI) ein Ausweg aus dieser Krise sei, ist vergeblich: „Bloßer Dataismus  kann immer nur Fragmente der Kundenwelt zeigen – und vernebelt damit zugleich den Blick auf das große Ganze (…). Auch das ist ein Learning der Coronapandemie, denn in Krisenzeiten geht es mehr denn je um das Wesentliche, um Werte und Wirksamkeit.“ (S.14)

Das Rezept, wie dem zu begegnen wäre, liefert das Zukunftsinstitut in vier Thesen gleich mit.

1. Transforming Brands: Marken von morgen sind Gestalter des Wandels

Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, ruft laut „People, Planet & Profit“. Die Reihenfolge dabei ist keine zufällige. Solide wirtschaften, um damit etwas Gutes zu tun oder umgekehrt, um etwas Gutes zu tun, solide Wirtschaften. Der herkömmliche Konsumismus, der in seiner werblichen Begleitung letztlich nur darauf abzielt, eine Mangel beim Kunden zu suggerieren, wird abgelöst durch eine Sinnökonomie und dem Wunsch nach Verbundenheit, Zughörigkeit und Resonanz. (S. 30) „Der Zukunftsauftrag von Marken besteht darin, den Wandel der Welt mitzugestalten.“ (S. 18)

2. Beyond Purpose: Gelebte Verantwortung wird zur Markenpflicht

Heute genügt es nicht mehr, „Kundinnen und Kunden zu erklären, was man produziert oder wie und wo, vielmehr müssen Marken überzeugend darstellen, warum zu tun, was sie tun.“ (S. 45) Und das geschieht nicht mehr ziellos, sondern im Zeichen des „Guten“, zu dem Kriterien wie fair, bio und nachhaltig immer mehr verschmelzen. (S. 54) Marken sollten dabei nicht nur mutig eigene Standards setzen, sondern in ihren Ansprüchen sogar den Mainstream übertreffen.

3. Von Konnektivität zu Kollektivität: Die neue Markenwährung ist das Wir.

Dass vor alle möglichen Wörter nun ein Co- gesetzt wird und so aus dem Working ein Co-Working oder aus dem Living ein Co-Living wird, ist für das Zukunftsinstitut ein Zeichen für eine neue Zeit der Zugehörigkeit, die die Hyperindividualisierung der 1990er und 2000er Jahre endgültig hinter sich lässt. Marken werden in dieser Welt zu Communitymanagern mit dem Ziel werthaltige Interaktionen innerhalb einer Gemeinschaft zu ermöglichen, die letztlich auch aus reinen Konsumenten Mitgestalter (Prosumierende) einer Marke machen. 

4. Data-driven Resonance: Technologie wird empathisch.

Im Grunde genommen ist es einfach: „Einerseits braucht es Marketing vielfach Technologie, andererseits macht Technologie ohne Marketingüberlegungen (…) keinen Sinn.“ (S. 84) Auch das ist natürlich nicht ziellos, sondern dient letztlich dazu positive Beziehungen zwischen Marken und Kunden herzustellen und ist mehr als ein bloßes Tracking von Nutzerverhalten oder Werbung.

Was hat das jetzt alles mit Tourismus zu tun, fragte ich mich. Einen Teil der Antwort gibt das Zukunftsinstitut selbst:

„Ist Sinnhaftigkeit wirklich die Aufgabe von Unternehmen? Ist das nicht ein bißchen zu viel verlangt für Schraubenhersteller, Internetprovider, Hoteliers, Pumpenmonteure oder Autohändler? Nein, im Gegenteil. Denn die Next Generation of Business begründet sich nicht in der Tätigkeit. Egal, ob es um Schaukeln, Autoteile oder Roboter geht: Es ist der innere Drang eines Unternehmens, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, der Menschen zu Höchstleistungen antreibt – und Marken erfolgreich macht.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Außer: ersetzen Sie doch spaßeshalber mal die Wörter „Marke“ und „Unternehmen“ durch „Region“ oder „Destination“. Spannend und nachdenkenswert, welche Rolle hier ein Destinationsmanagement spielen kann.

Die Publikation ist unter https://onlineshop.zukunftsinstitut.de/shop/transforming-brands-was-marken-in-zukunft-stark-macht/ bestellbar.

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